Amazon: Prime Video – Wie Amazon das digitale Marketing und Retail Media verändert
Von Markus Caspari – Aktualisiert am 03.10.2023 – 19:53
Amazon hat mit der Ankündigung, Werbung in seinen Prime-Videos auszuspielen, überrascht. Die Verschmelzung von Retail Media mit Bewegtbild hat zwar schon vorher begonnen, doch Amazon ermöglicht nun die Skalierbarkeit und beschleunigt den Prozess. Wenn man in zwei Jahren auf diesen Schritt zurückschaut, könnte sich das rückblickend als Tipping Point für den Streaming-Markt und das Retail-Media-Geschäft herausstellen.
Amazon Prime gehört zu den erfolgreichsten Kundenbindungsprogrammen der Welt. Mehr als 200 Millionen Menschen bekommen zum Festpreis nicht nur kostenlose Paketlieferungen, sondern auch Videos und Musik inklusive. Vor allem die Videos kommen gut an: Viele Millionen Haushalte in Deutschland mit einem Streaming-Abo für Videos nutzen das Angebot der Handelsplattform.
Amazon hat nun angekündigt, vom kommenden Jahr an auch Werbung in den Videos zu zeigen. Gegen einen Preisaufschlag von rund drei Dollar kann Prime Video zumindest in Amerika weiterhin ohne Werbeunterbrechungen gesehen werden, der deutsche Preis ist noch nicht bekannt.
Verdrängungswettbewerb und Preissensibilität
Im deutschen Streaming-Markt herrscht aktuell ein starker Verdrängungswettbewerb, den auch Amazon spürt. Für die meisten Menschen ist der Preis das entscheidende Kriterium für den Abschluss eines Abos, zumal nach dem Ende der Pandemie viele Menschen ihre angehäuften Verträge bereinigen.
Eine internationale Simon-Kucher-Studie zeigt, dass 11 Prozent der Befragten in den letzten zwölf Monaten ihre Streaming-Abonnements gekündigt haben. Als Hauptgründe wurden “Der Preis war zu hoch (41 Prozent)” und “Ich wollte Geld sparen (39 Prozent)” genannt. Demgegenüber finden nur 47 Prozent der befragten Menschen in Deutschland wichtig, dass in Streaming-Videos keine Werbung gezeigt wird. Die Konsumenten werden demnach offener gegenüber dem Gedanken – wenn damit steigende Preise verhindert werden.
Deutsche Streaming-Abonnenten reagieren der Studie zufolge sensibler auf Preiserhöhungen als Menschen in anderen Ländern. Bei einer Preiserhöhung von 20 Prozent würden bereits 39 bis 56 Prozent in Erwägung ziehen, ihren Streaming-Anbieter zu kündigen. Dementsprechend haben auch Amazon und andere Anbieter nur minimale Spielräume für Preiserhöhungen.
Konsequenzen der Amazon-Ankündigung
Marktbeobachter könnten auf den ersten Blick zu dem Ergebnis kommen, dass Amazon mit der Entscheidung für die Integration von Werbung in Amazon Prime Video mit seinem Mantra der Kundenzentrierung bricht. Bei näherer Betrachtung, vor allem unter Berücksichtigung der oben geschilderten Preissensibilität, ist die Entscheidung aus strategischer Sicht allerdings sehr schlau.
Da der Preis für Streaming-Angebote entscheidend ist, kann Werbung als zweite Erlösquelle drohende Abopreis-Erhöhungen verzögern oder zumindest abmildern. Damit wird der ohnehin schon starke Verdrängungswettbewerb im Markt weiter befeuert, denn singuläre Preiserhöhungen einzelner Player werden schwieriger durchsetzbar, wenn ein wichtiger Konkurrent nicht mitzieht.
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Das Bild dient nur zur Veranschaulichung und stellt nicht die tatsächliche Situation dar.