Bayern und Hessen wählen: Eine wegweisende DoppelwahlBayern,Hessen,Wahlen,Doppelwahl,Politik
Bayern und Hessen wählen: Eine wegweisende Doppelwahl

Bayern und Hessen wählen: Eine wegweisende Doppelwahl

7 minutes, 36 seconds Read

Bayern und Hessen wählen: Eine Doppelwahl mit Signalwirkung

Bei den heute stattfindenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen sieht alles nach Favoritensiegen aus. Doch diese Doppelwahl ist alles andere als langweilig. Sie sendet aus mehreren Gründen Signale bis nach Berlin. Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Aspekte.

Die Ausgangslage

Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen werden gerne als “kleine Bundestagswahl” bezeichnet. Mit 13 Millionen Stimmberechtigten lebt schließlich etwa jeder fünfte Wahlberechtigte in dem bevölkerungsstärksten Bundesland. Die heutige Doppelwahl gehört den Zahlen nach in die gleiche Kategorie: In Bayern sind 9,4 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen, in Hessen rund 4,3 Millionen. Nach den Wiederholungswahlen in Berlin im Februar und der Abstimmung in Bremen im Mai sind dies die letzten Landtagswahlen in diesem Jahr. Diese Doppelwahl dürfte aus verschiedenen Gründen Signale bis hin zu Schockwellen quer durch die Republik aussenden. Es sind “Wahlen mit Wumms”, wie vielleicht der Kanzler sagen würde.

Von wegen langweilig

Zwei Landtagswahlen, in beiden Ländern lagen die Amtsinhaber in den Vorwahlumfragen klar vorn – so weit, so langweilig. Und dennoch zählen die Abstimmungen in Bayern und Hessen am heutigen Sonntag zu den innenpolitisch spannendsten Terminen in diesem nicht gerade spannungsarmen Jahr. Das hat auch mit den Akteuren zu tun.

Da ist etwa Markus Söder und die Frage: Gewinnt er mit seiner CSU in Bayern hoch genug, um zumindest potenziell als möglicher Kanzlerkandidat der Union für 2025 im Rennen zu bleiben? Und da ist der bis dato überregional relativ blass gebliebene Boris Rhein in Hessen, der laut den Vorwahlumfragen so ein gutes Ergebnis für seine CDU holen könnte, dass er zur Riege der starken CDU-Ministerpräsidenten um Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther aus Schleswig-Holstein aufsteigen könnte – und damit auch in den Kreis möglicher Kanzlerkandidaten.

Zumal auch Rhein gezeigt hat und womöglich auch weiter zeigen könnte, dass man in den Ländern sehr gedeihlich mit den Grünen regieren kann. CDU-Chef Friedrich Merz dürfte also sehr genau auf den Wahlausgang in Bayern und Hessen schauen. Ähnliches gilt für Bundeskanzler Olaf Scholz. In Hessen tritt Bundesinnenministerin Nancy Faeser als SPD-Spitzenkandidatin an. Würde es nach der Wahl für eine SPD-geführte Landesregierung reichen, müsste sich auch Scholz mit einer K-Frage beschäftigen.

Im Kabinett bräuchte er Ersatz für Faeser. Den Umfragen zufolge sieht es aber nicht danach aus, dass es in Hessen für eine SPD-geführte Landesregierung reichen könnte – nach bisherigen Planungen bliebe Faeser dann Bundesinnenministerin in Berlin. Politisch angeschlagen wäre sie nach einer Wahlniederlage auf jeden Fall. Ob und wie lange sie sich dann auf dem Chefposten in einem der größten und wichtigsten Bundesministerien wird halten können, ist eine der spannenden Fragen dieser Wahl.

Was beide Wahlen verbindet

In beiden Ländern sieht es nach Favoritensiegen für die Amtsinhaber aus. Spannend(er) ist die Frage nach Platz zwei. Hier deuten sich jeweils Dreikämpfe an. In Bayern lieferten sich die Freien Wähler im ARD-BayernTrend zehn Tage vor der Wahl mit den Grünen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei, knapp dahinter die AfD. In Hessen findet der Dreikampf um Platz zwei zwischen Grünen, SPD und AfD statt. Zuletzt lagen die Grünen im ARD-HessenTrend zehn Tage vor der Wahl knapp vor der SPD. In beiden Ländern könnte die FDP den Wiedereinzug ins Parlament verpassen. Auch der Linkspartei dürfte in Hessen die politische Bedeutungslosigkeit drohen.

In beiden Ländern war der Landtagswahlkampf von bundespolitischen Themen geprägt. Heizungsgesetz, Inflation und zuletzt vor allem die Flüchtlingspolitik. Beide Wahlkämpfe hatten außerdem ihren bundesweiten “Aufreger”: In Bayern die “Causa Aiwanger” um das antisemitische Flugblatt, in Hessen die “Causa Schönbohm” um SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Faeser.

Die Wahlen in Zahlen

Insgesamt sind mehr als 13 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. In Bayern bewerben sich 1.811 Kandidaten und Kandidatinnen um einen Sitz im Bayerischen Landtag. Zuletzt saßen sechs Fraktionen im Maximilianeum: CSU, Grüne, Freie Wähler, AfD, SPD und FDP. Weil die dauerregierende CSU bei der Wahl 2018 um mehr als zehn Prozentpunkte auf historisch schlechte 37,2 Prozent abrutschte, brauchte sie erneut einen Koalitionspartner – und entschied sich für die Freien Wähler von Hubert Aiwanger. In Hessen treten 856 Kandidaten und Kandidatinnen an, zugelassen zur Wahl sind 21 Landeslisten von Parteien und Wählergruppen. Zuletzt saßen sechs Fraktionen im Landtag in Wiesbaden: CDU, SPD, Grüne, AfD, FDP und Linkspartei. Die CDU regiert seit nunmehr 24 Jahren ununterbrochen im einstigen SPD-Stammland, zuletzt in einer Koalition mit den Grünen.

Die wichtigsten Köpfe

In Bayern hat die CSU ihren Parteichef und Spitzenkandidaten Markus Söder noch kurz vor der Wahl mit 96,6 Prozent im Amt bestätigt. Söder steht vor seiner zweiten Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident, an seiner Wiederwahl am heutigen Sonntag bestehen keine ernsthaften Zweifel. Doch für den 56-Jährigen geht es um mehr als den Wahlsieg. Schneidet die CSU noch einmal schlechter ab als 2018 (37,2 Prozent), dürften sich Söders latent vorhandene bundespolitischen Ambitionen erledigt haben und auch seine Position in der CSU als unangefochtene Nummer 1 könnte leise hinterfragt werden.

Stärker denn je tritt hingegen Söders Koalitionspartner und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger auf. Die Flugblatt-Affäre hat dem Chef der Freien Wähler nochmals weitere Bekanntheit verschafft – und einen Schub in den Umfragen. Da sich die Söder-CSU früh auf eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern festgelegt hatte, dürfte Aiwanger seine Machtposition nach der Wahl eher noch ausbauen können. Aiwanger will seine Freien Wähler 2025 in den Bundestag führen.

Zu den bekanntesten Gesichtern bei der Hessenwahl gehört SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser. Als Bundesinnenministerin ist sie den meisten Menschen ein Begriff – das war mit ein Grund, warum die Hessen-SPD sie ins Rennen schickte. Dass sich ihr Job im Kabinett eher als Bleiweste denn als Sprungbrett in die Wiesbadener Staatskanzlei entpuppen würde, hatte man nicht vorhergesehen.

Ministerpräsident Boris Rhein dürfte weniger Menschen ein Begriff sein. Dabei regiert der CDU-Politiker seit Ende Mai 2022 in Hessen, er übernahm das Amt von Volker Bouffier. Jetzt muss sich der 51-Jährige erstmals dem Wählervotum stellen. Rhein gibt sich inzwischen als gemäßigter, moderner Konservativer, seine “Law-and-Order”-Zeit als hessischer Innenminister liegt Jahre zurück.

Die Gesichter der anderen Parteien sind regional teilweise bekannter. In Bayern treten Die Grünen mit einem Spitzenduo aus Katharina Schulze und Ludwig Hartmann an, die SPD kämpft mit Florian von Brunn um ein zweistelliges Ergebnis, Martin Hagen soll der FDP den Wiedereinzug in den Landtag sichern. Die AfD setzt auf das Duo Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm.

In Hessen ist Tarek Al-Wazir das bekannteste Gesicht der Grünen. Im Land kennt (und schätzt) man den langjährigen Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsidenten, überregional ist Al-Wazir weniger bekannt. Das Gesicht der hessischen SPD ist Nancy Faeser, während Ministerpräsident Boris Rhein oft noch ein unbeschriebenes Blatt ist. Die AfD tritt mit Robert Lambrou an, die FDP mit Stefan Naas und die Linkspartei mit dem Duo Elisabeth Kula und Jan Schalauske.

Eine Woche vor der Wahl sorgte in Hessen ein Wahlkampfvideo der Landes-SPD für Aufregung. Darin wurde der regierenden CDU eine Nähe zur AfD unterstellt und eine Zusammenarbeit beider Parteien als möglich dargestellt. Der Vorfall zeigt exemplarisch, wie aufgeheizt und nervös die politische Stimmung in Deutschland derzeit ist.

Welche Koalitionen wahrscheinlich sind

In Bayern hat sich die CSU bereits frühzeitig für eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern entschieden. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen schließt die CSU kategorisch aus. Auch FDP und SPD haben sich als potenzielle Koalitionspartner angeboten. In Hessen deutet laut Umfragen vieles auf einen klaren Wahlsieg von Amtsinhaber Boris Rhein hin. Hier könnte er zwischen einer Fortsetzung der Koalition mit den Grünen oder einer Zusammenarbeit mit der SPD wählen. Auch die FDP bietet sich als Partner an, sofern sie den Wiedereinzug ins Parlament schafft. AfD und Linkspartei schließt Rhein jedoch kategorisch aus.

Wie geht es weiter?

Nach den Landtagswahlen ist zu hoffen, dass es zu ernsthaften und lösungsorientierten Gesprächen zwischen der Ampelregierung und der Union in der Flüchtlingspolitik kommt. Bislang verläuft diese Debatte aufgeheizt und driftet mitunter in den Populismus ab. Es ist fraglich, ob die Parteien nach den Wahlen tatsächlich aus dem öffentlichen Streitmodus herausfinden werden, wie immer wieder angemahnt wurde.

Ausblick auf kommende Wahlen

Das Landtagswahljahr 2023 geht mit diesen Wahlen zu Ende. Die nächste “große” Wahl ist die Europawahl am 9. Juni 2024. Anschließend finden am 1. September Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen statt, gefolgt von Brandenburg am 22. September.

Quellen:

– MDR aktuell

– tagesschau

Politics-Bayern,Hessen,Wahlen,Doppelwahl,Politik


Bayern und Hessen wählen: Eine wegweisende Doppelwahl
<< photo by Clay Banks >>
Das Bild dient nur zur Veranschaulichung und stellt nicht die tatsächliche Situation dar.

Sie könnten lesen wollen !

author

Hans Schmidt

Hallo, ich bin Hans Schmidt. Seit über zehn Jahren arbeite ich als Journalist bei einem der führenden deutschen Nachrichtensender. Meine Spezialität ist politischer Journalismus - besonders internationaler Politik und nationaler Politik. Ich strebe immer danach, den Zuschauern die genauesten und aktuellsten Informationen zu liefern.

Similar Posts