Faktenfinder: CDU-Chef zu Asylbewerbern – Warum sich Merz‘ Aussage nicht halten lässt
Einleitung
Eine Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz bezüglich abgelehnter Asylbewerber hat für Aufsehen gesorgt. Laut Merz sollen abgelehnte Asylbewerber Zahnsanierungen erhalten, während deutsche Bürger Schwierigkeiten haben, Termine beim Zahnarzt zu bekommen. Diese Aussage lässt sich jedoch faktisch nicht halten.
Aussagen und ihre Widerlegung
Gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten abgelehnte Asylbewerber in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts nur eine reduzierte medizinische Versorgung. Sie haben nur in Notfällen Anspruch auf Gesundheitsversorgung ohne Erlaubnis der Behörde. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur in unaufschiebbaren medizinischen Fällen. Nach den ersten 18 Monaten werden Asylbewerber, auch diejenigen mit Duldungsstatus, von den gesetzlichen Krankenkassen betreut und erhalten ähnliche Leistungen wie gesetzlich Versicherte. Es müssen jedoch alle Kosten, die über den festen Zuschuss der Kassen hinausgehen, von den Asylbewerbern selbst übernommen werden, außer in Härtefällen.
Reduzierte medizinische Versorgung
Die Bundeszahnärztekammer betont, dass jeder Zahnarzt aufgrund der individuellen Situation des Patienten entscheiden muss, welche Behandlungen im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes notwendig und abgedeckt sind. Nach den ersten 18 Monaten haben Asylbewerber Anspruch auf dieselben medizinischen Leistungen wie gesetzlich Versicherte. Es wird lediglich die günstigste Lösung von den Krankenkassen übernommen, außer in Härtefällen, in denen auf Zuzahlungen des Patienten verzichtet wird.
Die Theorie der “Pull-Faktoren”
Merz behauptet, dass solche Leistungen als “Pull-Faktoren” wirken, die Migranten nach Deutschland locken würden. Allerdings wird diese Theorie von Migrationsexperten als überholt angesehen. Sie argumentieren, dass einfache Erklärungsmodelle der Komplexität der Migrationsprozesse nicht gerecht werden. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags gelangt in einer Dokumentation zu demselben Schluss. Es gibt also keine Belege dafür, dass die Aussage von Merz zutreffend ist.
Die Anzahl der Ausreisepflichtigen
Zum Stichtag 31. Dezember 2022 befanden sich insgesamt 304.308 vollziehbar ausreisepflichtige Menschen in Deutschland. Allerdings hatten 248.145 von ihnen eine Duldung, was bedeutet, dass eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Für diese Gruppe gelten strengere Regeln, zum Beispiel eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit der Reduzierung von Leistungen. Sobald ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, haben abgelehnte Asylbewerber keinen Anspruch mehr auf Leistungen.
Kritik und Reaktionen
Die Aussage von Merz hat Kritik von SPD und Grünen ausgelöst. Auch der Zahnärztechef widerspricht Merz. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag löschte zeitweise ein Video, das Merz‘ Aussagen enthielt, veröffentlichte es aber später wieder mit einem Kommentar zur korrekten rechtlichen Situation der medizinischen Versorgung von abgelehnten Asylbewerbern.
Vergleich mit ähnlichen Aussagen
Ähnlich wie Merz hat der AfD-Abgeordnete Martin Sichert sich zu Geflüchteten aus der Ukraine geäußert. Er behauptete, wohlhabende Ukrainer erhielten kostenlose Zahnbehandlungen in Deutschland. Tatsächlich können geflüchtete Ukrainer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende beantragen und haben Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sofern sie hilfebedürftig sind. Sollten sie jedoch über Vermögen verfügen oder eine Arbeit aufgenommen haben, müssen sie die Kassenbeiträge selbst zahlen oder die Behandlungen privat abrechnen lassen.
Editorial
Eine unzureichende Argumentation zu Asylbewerbern
Die Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz zu abgelehnten Asylbewerbern und deren medizinischer Versorgung erweist sich als unzutreffend. Faktisch erhalten abgelehnte Asylbewerber nur eine reduzierte medizinische Versorgung in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts, und Zahnbehandlungen werden nur in Notfällen durchgeführt. Nach dieser Zeit werden Asylbewerber von den gesetzlichen Krankenkassen betreut und müssen selbst für Kosten über dem festen Zuschuss der Kassen aufkommen.
Überholte Theorien zur Migrationsbewegung
Die Theorie der “Pull-Faktoren”, die Merz aufgreift, um seine Argumentation zu unterstützen, ist nicht mehr zeitgemäß. Migrationsexperten und der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags sind sich einig, dass einfache Erklärungsmodelle wie diese nicht ausreichen, um die Komplexität der Migrationsprozesse zu erklären. Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Leistungen für abgelehnte Asylbewerber Migranten nach Deutschland locken.
Empfehlungen
Korrekte Informationen über die medizinische Versorgung von Asylbewerbern
Es ist wichtig, dass politische Akteure genaue und verlässliche Informationen über die medizinische Versorgung von Asylbewerbern verbreiten. Falsche Behauptungen können zu Missverständnissen führen und Vorurteile gegenüber Asylsuchenden verstärken. Die Fakten, wie im Asylbewerberleistungsgesetz festgelegt, sollten klar kommuniziert werden, um eine sachliche Diskussion zu ermöglichen.
Komplexe Ursachen der Migration verstehen
Es ist essentiell, dass wir uns von einfachen Erklärungsmodellen zur Migration distanzieren und die Komplexität des Phänomens anerkennen. Migration wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die nicht auf einfache “Pull-Faktoren” reduziert werden können. Um angemessene Lösungen zu finden, müssen wir uns mit den Ursachen und Bedingungen von Migration auseinandersetzen und diese differenziert betrachten.
Schlussfolgerung
Die Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz, dass abgelehnte Asylbewerber bevorzugt medizinisch versorgt werden, ist faktisch nicht haltbar. Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern ist in den ersten 18 Monaten reduziert und umfasst nur Notfälle. Nach dieser Zeit erhalten Asylbewerber ähnliche Leistungen wie gesetzlich Versicherte und müssen zusätzliche Kosten selbst tragen. Die Theorie der “Pull-Faktoren” zur Migration ist überholt und wird von Experten nicht unterstützt. Eine sachliche Diskussion über das Thema Migration erfordert genaue Informationen und eine differenzierte Betrachtung der Ursachen und Bedingungen von Migration.
<< photo by Aljona Ovtšinnikova >>
Das Bild dient nur zur Veranschaulichung und stellt nicht die tatsächliche Situation dar.
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