Eine neue Ära des "Polizeiruf 110" aus München: Bless Amada, der schwarze Ermittler (Titel auf Deutsch)Polizeiruf110,München,BlessAmada,schwarzerErmittler,Krimi,deutscheSerie
Eine neue Ära des "Polizeiruf 110" aus München: Bless Amada, der schwarze Ermittler (Titel auf Deutsch)

Eine neue Ära des “Polizeiruf 110” aus München: Bless Amada, der schwarze Ermittler (Titel auf Deutsch)

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Kultur TV: Schwarzer Ermittler im “Polizeiruf 110” aus München

“Strenggenommen ist Rassismus das Problem der Weißen”

Von David Baum

Der neue “Polizeiruf 110” aus München macht sich über die deutsche Diversity-Debatte lustig. Ein Gespräch mit Schauspieler Bless Amada über seine Karriere, Schwarze im deutschen Film- und Fernsehbetrieb, und warum Kleinwüchsige öfter mal Mafiapaten spielen sollten.

Lieber Bless Amada, Sie haben im Alter von zehn Jahren Deutsch gelernt, heute spielen Sie am Wiener Burgtheater, dem Olymp des deutschen Sprechtheaters. Was bedeutet Ihnen das?

Die einen sagen Olymp, die anderen Endstation. Ich meine das nicht despektierlich, aber viele Schauspieler richten ihre ganze Karriere danach aus, dort einmal anzukommen. Für mich ist es eine Station, die ich nun nach zwei Jahren auch gerne wieder hinter mich lasse. Aber ja, es hat sich gut angefühlt, das erreicht zu haben.

Deutschland war nicht das Paradies, als das es von Togo aus gewirkt hatte

Sie haben erst eine Handwerkerlehre gemacht, wie sind Sie zum Schauspiel gelangt?

Der Wunsch war früh da, bereits in Togo, wo ich aufgewachsen bin. Ich hatte im Fernsehen einen Krimi geschaut, und die Darstellerin der Kommissarin beeindruckte mich mit einer Szene voller Verzweiflung, was mich damals völlig faszinierte. Das wollte ich auch können. Mein Vater lebte damals bereits als Küchenhilfe in Deutschland, also kam ich als Zehnjähriger zu ihm, habe hier meine Mittlere Reife gemacht. Deutschland war nicht das Paradies, als das es von Togo aus gewirkt hatte.

Inwiefern?

Ich war von dieser asphaltierten Welt überfordert, nachdem ich meine Kindheit auf roter Erde verbracht hatte. Am meisten störte mich, dass ich im Supermarkt nicht feilschen konnte, wie ich es gewohnt war. Meine Ausbildung machte ich als Elektroniker für Gebäudetechnik, brach das ab, um vorsprechen zu gehen.

Gleich an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule in München?

Genau, das war ein Tipp meiner deutschen Stiefoma und der Mutter meines besten Freunds. Ich war gut vorbereitet, hatte aber gar keine Ahnung von dem Metier. Meine Monologe aus Hamlet, Othello und Mephistopheles und eine selbstgeschriebene Szene kamen aber gut an. Es klappte beim ersten Mal.

Damals waren Sie 20, wie konnten Sie die neue Sprache in nur wenigen Jahren derart verinnerlichen.

Ich habe ein Talent für Sprachen. Ich hatte keine Wahl, meine Stiefmutter konnte nur Deutsch, und ich habe das Fernsehen als Sprachkurs benutzt. In drei Jahren hatte ich Deutsch akzentfrei drauf.

Viele Schauspieler und Schauspielerinnen mit Migrationshintergrund sind von ihren Rollenangeboten genervt. Deutschtürken sind auf Clan-Gauner abonniert, einer iranischstämmigen Kollegin platzte einmal der Kragen, als ihre Rolle im Drehbuch “Burkafrau 2” hieß. Kennen Sie Ähnliches?

Es gibt viele Angebote, wo ich die Sendeverantwortlichen gerne fragen würde, was sie sich dabei gedacht haben. Klar habe ich vieles abgelehnt. Ich möchte keine Klischees reproduzieren, gegen die ich eigentlich angehen will. Film sollte das Gegenteil bewirken, aber es gibt leider ständig solche Anfragen.

Manches ist „gut gemeint“, aber zementiert Rollenbilder?

Ich kann mir keinen gut gemeinten Rassismus vorstellen. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn sich deutsche Regisseure oder Drehbuchautoren, die sich Rollen aus anderen kulturellen Gruppen ausdenken, jemanden dazuholen, der sich auskennt. Es muss einen Kontext haben, damit eine Rolle außerhalb des Vorurteils funktioniert. Als Regisseur würde ich mich um Authentizität bemühen, ich verstehe nicht, warum es so wenige versuchen.

Es gab zuletzt Debatten darüber, wie Afrika und besonders die Kolonialgeschichte in deutschen Produktionen erzählt wird.

Es gibt sehr gute Produktionen, wie den Film “Borga”, in dem Eugene Boateng die Hauptrolle spielt. Da fühlte ich mich total erkannt. Aber die meisten anderen Filme werden von weißen Menschen gestaltet, die glauben, ihre Einschätzung reicht. Als Regisseur würde ich mich um Authentizität bemühen, ich verstehe nicht, weshalb das so wenige versuchen.

Schwarze Politiker in Deutschland beklagen, oft auf Rassismus-Themen reduziert zu werden. Verstehen Sie den Einwand?

Sogar sehr gut. Ich spreche gerne darüber, wenn es wie in diesem Gespräch einen Anlass gibt. Aber man möchte nicht darauf reduziert werden. Ich würde mir wünschen, dass Weiße nicht ständig mit mir über Rassismus sprechen, sondern mit anderen Weißen. Strenggenommen ist Rassismus das Problem der Weißen, nicht meines. Sie machen es zu meinem. Ich will auch nicht darüber sprechen, warum ich diese oder jene Rolle spiele, obwohl ich Schwarz bin.

Wie wichtig ist die Funktion des Theaters, wo zunehmend Schauspieler und Schauspielerinnen abseits von Geschlecht und Herkunft besetzt werden?

Solange wir darüber als Besonderheit sprechen, ist es noch nicht gut. Dennoch, das Theater geht diesbezüglich voran, spielt mit diesen Zuschreibungen und bricht mit Bildern. Das ist eigentlich schon immer die Aufgabe von Theater gewesen. Ob die Schwarze Cleopatra in Jada Pink Smiths Netflix-Doku oder die Schwarze englische Königin in Brigderton, in den sozialen Medien hagelt es jedes Mal Hasskommentare. Absurd und schlimm.

Ein Argument, das oft in den Kommentarspalten zu lesen ist: Würdet Ihr damit OK sein, wenn ein Bio-Pic über Schwarze Persönlichkeiten aus der Geschichte mit nicht-Schwarzen Schauspielern besetzt würden?

Puh, was soll man darauf sagen? Mir gefiel dieser eine Kommentar, den ich gelesen habe: Ihr habt doch auch aus Jesus einen Weißen gemacht. (bricht in schallendes Gelächter aus) Großartig! Die Lösung ist wie immer: Empathie!

Aber wo ist die Grenze, sollen beispielsweise nur noch Schwule für schwule Charaktere in Filmen besetzt werden?

Ich verstehe den Wunsch der marginalisierten Gruppen, selbst zum Zug zu kommen, die eigenen Geschichten erzählen zu können. Als Schauspieler sehe ich das differenziert, ich finde den Beruf deshalb so spannend, in andere Welten, Realitäten und Charaktere eintauchen zu können. Ich sehe beide Seiten, die Lösung ist wie immer: Empathie.

Sie spielen in “Angels in America”, einem Stück über Homosexuelle. Muss man dafür homosexuell sein?

Nein, es gibt zu viele Klischee-Darstellungen, die gewisse Manierismen reproduzieren, die sich nur ein Schwuler erlauben darf. Ich bin privat keine Drag Queen, dennoch spiele ich das. Als Schauspieler muss ich das dürfen, das macht meinen Beruf aus. Aber mir ist bewusst, wie sensibel ich da rangehen muss.

Verstehen Sie den Ärger Kleinwüchsiger, wenn Hugh Grant einen Zwerg spielt, und dafür digital geschrumpft wird?

Kann ich verstehen. Das Problem wäre vermutlich gelöst, wenn kleinwüchsige Darsteller öfter für Rechtsanwälte oder für Liebhaber oder für Mafiapaten gecastet würden. Dann hätten wir diese Debatten gar nicht.

Nun kommt am Sonntag der neue “Polizeiruf 110” aus München, in dem sich über die Woke-Debatte lustig gemacht wird. Sie spielen einen Schwarzen Kommissar, der aus Quoten-Gründen in eine Ermittlung im linken Hochschulmilieu hinzugezogen wird.

Es war ein mutiges Experiment, weil man so viele Fehler machen kann. Der Autor des “Polizeiruf” hat mir vorab gesagt, ich möge mich sofort melden, wenn ich etwas als schwierig empfinde. Ich habe das Buch gelesen, und war begeistert – weil es sich dem mit so viel Humor nähert.

Was denken Sie persönlich, wenn ein ehemaliger Grüner wie Boris Palmer auf eine Bahn-Werbung, in der ein Schwarzer zu sehen ist, kommentiert: “Welche Gesellschaft soll das abbilden?”

Ach herrje… (lacht laut). Das ist das Raffinierte an diesem Polizeiruf, dass er es schafft, diese Grotesken aus dem deutschen Alltag abzubilden – in jenem schmalen Grad zwischen Satire und Ernsthaftigkeit. Zudem ziemlich offensiv.

Ein deutscher Fußball-Manager hat seinen Job verloren, weil er in privaten Chats den Begriff “Quotenschwarzer” benutzt hat. War das angemessen?

Wer Menschen nur wegen ihrer Minderheitenherkunft besetzt, ohne dass sie die Qualifikation besitzen, nährt solche Vorurteile. Diversity darf nicht über allem stehen. Sonst bleiben wir Vorzeigefiguren. Ich möchte keinen Job bekommen, bloß weil ich Schwarz bin. Die Deutschen neigen dazu, Diversität so umzusetzen, wie sie als Deutsche auch andere Dinge erledigen: Planstabsmäßig. Da muss ein Schwarzer hin, da eine queere Person, da eine Muslima, aber bitte mit Kopftuch. Gleichzeitig passiert das aus gutem Grund, um gutzumachen, dass man uns lange ignoriert und gleiche Chancen verwehrt hat. In England gibt es solche Debatten lange nicht mehr, weil es längst Normalität ist.

Hatten Sie je das Gefühl, aus Diversity-Gründen besetzt zu werden?

Ja, am Anfang. Aber davor hat mich die Schauspielschule beschützt, wofür ich dankbar bin. Das Gefühl gewollt zu sein, ist wunderbar, aber es bleibt schal, wenn dahinter keine Überzeugung für mein Können steht.

Inwieweit haben Rassismus-Erfahrungen Sie verändert?

Kaum. Zwar war ich als Kind kaum empfänglich dafür, weil mein Vater mir nie gesagt hat, dass es sowas wie Rassismus gibt, dennoch hat sich meine Sensibilität daraufhin sehr erhört. Manchmal lohnt es sich auch weiterzugehen, und Micro-Aggressionen, die rassistischen Charakter haben, keinen Raum zu geben. Hat der halt einen schlechten Tag, not my problem. Aber auch kleine Moskitostiche, die man nicht beachtet, können brennen. Letztendlich entscheide ich, wie viel Raum ich dem geben möchte.

In Berlin wird seit Jahren über die Umbenennung der Mohrenstraße debattiert. Betrifft Sie sowas?

Schwer zu beantworten. Ich kann den Gedanken verstehen, dass Linke solche alten Begriffe weghaben wollen und alles richtig machen wollen. Ich fühle mich aber nicht angesprochen, wenn eine Straße nach “Mohren” benannt ist. Ich kann für mich nicht definieren, ob das etwas mit mir zu tun hat. Es ist jedenfalls etwas anderes, als das “N-Wort”. Ich glaube, das sollten die Weißen für sich klären, ob sie diesen Begriff weiterhin in ihrer Realität haben wollen, es hat mehr mit ihnen zu tun. Für mich ist es irrelevant.

Werden Sie eigentlich im “Polizeiruf” bleiben?

Gute Frage. Die Figur ist nun im Polizeiruf-Kosmos etabliert. Der Rest liegt nicht mehr in meiner Hand.

Hätten Sie Lust?

Sicher, ich hätte diese Rolle beinahe nicht bekommen. Ich habe eine Casting-Band geschickt, und nie wieder etwas gehört – und es eigentlich schon abgeschrieben. Dann meldeten sie sich nach einem halben Jahr und luden mich zum Casting ein- Im persönlichen Gespräch war dem Regisseur klar, dass ich das machen muss. Da dachte ich mir: Was für Dich bestimmt ist, Bless, das nimmt dir auch keiner weg. Gott hatte diese Rolle für mich vorgesehen.

Sendehinweis: “Polizeiruf München: Little Boxes” am Sonntag 17. September 2023, 20.15 Uhr im Ersten – und in der ARD Mediathek

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Eine neue Ära des "Polizeiruf 110" aus München: Bless Amada, der schwarze Ermittler (Titel auf Deutsch)
<< photo by Anelale Nájera >>
Das Bild dient nur zur Veranschaulichung und stellt nicht die tatsächliche Situation dar.

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Braun Klara

Guten Tag, mein Name ist Klara Braun. Als erfahrene Reporterin für Wirtschaftsnachrichten versuche ich immer, komplexe Themen in einer Weise zu erklären, die jeder verstehen kann. Ich glaube, dass guter Journalismus nicht nur darin besteht, die Fakten zu liefern, sondern auch zu erklären, was sie für uns bedeuten.

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